Preisträger 2007

Schwesterncommunität der Christusbruderschaft Selbitz  

Der Edith-Stein-Preis 2007 wurde verliehen an die Schwestern der Communität Christusbruderschaft Selbitz im Kloster Wülfinghausen.   
Als evangelische Ordensgemeinschaft leben die Schwestern eine ökumenische Spiritualität, die sich aus evangelischen und katholischen Quellen speist.
Sie sind eine Frauengemeinschaft, die zur Verlebendigung der Kirche und der Gesellschaft beiträgt, und  haben ein ehemaliges Augustinerinnen-Kloster mit evangelischem Ordensleben wiederbelebt.  

Termin der Preisverleihung war 18.11.2007 im Alten Rathaus, Göttingen.  
Selbstdarstellung auf deren Internetseiten: 
http://www.kloster-wuelfinghausen.de/    oder auch  
http://www.christusbruderschaft.de/  

 

Zu den Texten und Fotos der Preisverleihung: 

  • Eröffnung durch Frau Dr. Mary Heidhues
  • Grußwort von Dr. Monika Pankoke-Schenk, 
    Präsidentin der Edith-Stein-Gesellschaft Deutschland e. V.
  • Grußwort von Eckhard Gorka,
    Landessuperintendent des Sprengels Hildesheim-Göttingen 
  • Laudatio von Pater Vitus Seibel SJ, Berlin 
  • Die Urkunde   (120kB als PDF)
  • Fotos der Preisübergabe 
  • Dank der Schwestern   und    ihre Lieder  
  • Dankwort der Präsidentin der Klosterkammer Hannover   (51kB als PDF)
  • Einladung zur Begegnung   
  • Pressebericht    

Eröffnung

Frau Dr. Mary Heidhues, 
Ehrenvorsitzende des Edith-Stein-Kreises Göttingen

Guten Abend und herzlich Willkommen zur 7. Verleihung des Göttinger Edith-Stein-Preises. Mit großer Freude stelle ich fest, dass seit 1995 alle zwei Jahre dieser Preis Menschen und Institutionen auszeichnet, die durch „Grenzüberschreitung“ in ihrem sozialen, politischen und gesellschaftlichen Engagement in hervorragender Weise tätig waren – und sind. Dank an alle, die diese Preisverleihung immer wieder unterstützt haben.

Zuerst aber möchte ich einige Anwesende ganz besonders grüßen. Diese sind,

für die Katholische Kirche, aus dem Bistum Hildesheim, die Referentin für theologische Grundfragen und insbesondere für Ökumene, Frau Dr. Dagmar Stoltmann und der Leiter der Hauptabteilung Personal und Seelsorge, Domkapitular Heinz-Günter

für die Evangelische Kirche, Landessuperintendent Eckhard Gorka und Oberlandeskirchenrat Dr. Hans-Christian Brandy, sowie den Stellvertretenden Superintendenten von Göttingen Pastor Gert Liebenehm-Degenhard, 

für die Stadt Göttingen, freuen wir uns über die Anwesenheit von Herrn Bürgermeister Wilhelm Gerhardy.

Der Landkreis Göttingen ist durch Frau Stellvertretende Landrätin Anja-Carola Vaupel vertreten. 

Frau Prof. Dr. Doris Lemmermöhle, Vizepräsidentin, vertritt die Universität und ich begrüße sie ebenfalls.

Ich begrüße auch den Bürgermeister der Stadt Springe, in dessen Gemeinde Kloster Wülfinghausen liegt, Herrn Jörg-Roger Hische.

Von den ehemaligen Preisträgern und Preisträgerinnen ist der erste Preisträger, der ehemalige Bischof Eduard Lohse heute Abend mit seiner Frau anwesend; ebenfalls der zweite Preisträger, Dr. Joop Bergsma. 

Schließlich konnten die Vertreter des Maximilian-Kolbe-Werks, Preisträger 2001, aus sehr guten Gründen nicht bei uns sein. Das Maximilian-Kolbe-Werk wird heute im Jüdischen Gemeindezentrum in München mit dem diesjährigen Preis des Vereins „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ ausgezeichnet. Wir freuen uns mit ihnen über diese außerordentliche Ehre. 

Ich begrüße auch unsere Musiker, die uns mit Harfe und Saxophon durch den Abend begleiten 

und schließlich Sie alle, die Sie so zahlreich gekommen sind. 

Vor mehr als zwanzig Jahren übernahm der Göttinger Edith-Stein-Kreis die Aufgabe, Leben und Werk dieser herausragenden Frau und Ordensfrau in dieser Stadt bekannt zu machen. Dazu gehörten Gottesdienste, Vorträge, Ausstellungen, vor allem eine Ausstellung in der Universitätsbibliothek 1991 zum hundertsten Geburtstag Edith Steins, die Preisverleihungen und neuerdings auch das Angebot, zusammen mit der City-Pastoral, von geistlichen Stadtführungen auf den Spuren Edith Steins. Die nächste Stadtführung findet am 16. Mai 2008 statt.

Wir Kreismitglieder glauben, dass Edith Stein auch eine ökumenische Persönlichkeit ist. Dies kann man am Beispiel ihres Lebens zeigen, denn sie blieb, selbst nach dem Eintritt ins Kloster, mit Freunden und Verwandten verschiedener Konfessionen oder Glaubensrichtungen verbunden. Ihre Spiritualität, besonders ihre Kreuzesnachfolge, kann befruchtend sein über konfessionelle Grenzen hinweg. Immerhin wird der Göttinger Edith-Stein-Preis heute Abend zum fünften Mal in ausdrücklich ökumenischer Absicht verliehen. Gleich hören Sie mehr davon. 

In diesem Zusammenhang ist es erfreulich, dass die Werke Edith Steins in einer Neuausgabe gesammelt und veröffentlicht werden. Von 25 Bänden sind bereits 17 erschienen. Noch in diesem Jahr sollen zum Teil unveröffentlichte geistliche Texte erscheinen. Ich glaube, diese Veröffentlichung wird die Bandbreite ihrer Spiritualität besser bekannt machen und Möglichkeiten öffnen, sie in der katholischen Kirche und darüber hinaus fruchtbar zu machen.

Jetzt lade ich Frau Dr. Monika Pankoke-Schenk, Präsidentin der Edith-Stein-Gesellschaft Deutschland, ein, einige Grußworte zu sprechen.

Grußwort

... von Dr. Monika Pankoke-Schenk 
der Präsidentin der Edith-Stein-Gesellschaft Deutschland 
anlässlich der Edith-Stein-Preis-Verleihung am 18.11.2007 im Alten Rathaus Göttingen
an die Schwestern der evangelischen Communität Christusbruderschaft im Kloster Wülfinghausen

Sehr geehrter Herr Dechant Hübner,
liebe Frau Dr. Heidhues, 
sehr geehrter Herr Willen, 
ehrwürdige Schwestern,
verehrte Festversammlung,

    ich freue mich, Ihnen die herzlichen Grüße und Glückwünsche  der Edith-Stein-Gesellschaft Deutschland zur diesjährigen Verleihung des Edith-Stein-Preises des Edith-Stein-Kreises Göttingen zu übermitteln.

Ich freue mich, dass der Edith-Stein-Preis 2007 an die evangelische Schwestern-Communität der Christus-Bruderschaft Selbitz im Kloster Wülfinghausen geht.
Die Schwestern bewohnen ein altes ehemaliges Augustinerkloster (gegr. 1236), das der Klosterkammer Hannover gehört. Sie führen ein Haus der Stille, in dem sie in ökumenischer Spiritualität leben, die sich aus evangelischen und katholischen Quellen speist.

Ein sichtbares Zeichen, dass Ökumene lebendig ist  und ein Angebot an die Menschen in unserer Gesellschaft, die ausruhen möchten von der Hektik und Schnelllebigkeit und die auf der Suche sind nach dem Sinn ihres Lebens und nach Gott.

Der Lebensweg von Edith Stein und ihr Verhältnis als Katholikin zum protestantischen Christentum (Taufpatin war die evangelische Christin, die Philosophin Hedwig Conrad-Martius) und als gebürtige Jüdin zum Judentum wird "zu einer Wegweisung für eine Ökumene, welche die eigene Identität bewahrt, der Polarisierung wehrt und zu Wegen des wachsenden Miteinanders ermutigt" (vgl. Joachim Feldes in: Dieser Schmerz kann ein heilsamer Schmerz sein (Edith Stein), Impulse für eine Ökumene, die weitergeht, Hrsg. Edith-Stein-Gesellschaft Deutschland e.V. 2004, Vorwort von Dr. Monika Pankoke-Schenk, Präsidentin der Edith-Stein-Gesellschaft Deutschland).

Der verstorbene Papst Johannes Paul II., der Edith Stein zur Mitpatronin Europas ernannt hat (neben Birgitta von Schweden und Katharina von Siena), schreibt zum ersten Ökumenischen Kirchentag in Deutschland in Berlin 2003: "Ich freue mich, dass Christen gemeinsam zum Segen werden können für euer Land und die ganze Welt. Diese ermutigende Aufforderung zur Ökumene unterstreicht zugleich die zukunftsweisende Aussage von Edith Stein: "Dieser Schmerz kann ein heilsamer Schmerz sein, ein Stachel, der zum Suchen nach der Wahrheit führt"(Edith Stein).

In der Botschaft der dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung in Sibiu/Hermannstadt, Rumänien im September 2007, an der ich als Delegierte für das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken für die Deutsche Bischofskonferenz teilgenommen habe, die unter dem Thema stand "Das Licht Christi scheint auf alle", heißt es und schließt damit an das Vermächtnis von Edith Stein an:

"Wir christliche Pilger aus ganz Europa und darüber hinaus, bezeugen die verwandelnde Kraft dieses Lichtes, das stärker ist als die Finsternis, und verkündigen es als die all-umfassende Hoffnung für unsere Kirche, für ganz Europa und für die ganze Welt....
Wir sind nicht allein auf dieser Pilgerreise. Christus ist mit uns und befindet sich in der Wolke der Zeugen (Hebr. 12,1), die Märtyrer unserer Zeit begleiten uns: Das Zeugnis ihres Lebens und Todes – auch das von Edith – Stein inspiriert uns als Einzelne und als Gemeinschaft; gemeinsam mit ihnen verpflichten wir uns, das Licht des verklärten Christus leuchten zu lassen durch  unser eigenes Zeugnis, das tief verwurzelt ist im Gebet und in Liebe. Dies ist unsere bescheidene Antwort auf das Opfer ihres Lebens." 

Ich wünsche uns für unsere Weggemeinschaft der Ökumene weiterhin Gottes Segen!

Dr. Monika Pankoke-Schenk
Präsidentin

18.11. 2007

Grußwort

... von Eckhard Gorka,
Landessuperintendent des Sprengels Hildesheim-Göttingen 
Abt des Klosters Amelungsborn 

Verleihung des Edith-Stein-Preises 
an die Schwestern der Communität Christusbruderschaft Selbitz in Wülfinghausen. 

Sehr geehrte Damen und Herren des Edith-Stein-Kreises, 
verehrte Festgesellschaft, 
liebe Schwestern und Brüder, 

    in herzlicher Mitfreude nimmt unsere Landeskirche wahr, dass der Edith-Stein-Kreis Göttingen heute durch die Preisverleihung das Sein, das Da-Sein und Für-andere-Dasein der Communität Wülfinghausen würdigt. Dass das Dasein und Wirken, der Glaube, das Gebet und die Lebensbegleitung der Wülfinghäuser Schwestern mit dem Namen und damit auch mit der Biografie Edith Steins verbunden werden, dem kann man nur mit Respekt, Dank und Freude begegnen.  

Die Preisverleihung will helfen, die Erinnerung an Edith Stein wach zu halten, ihre Biographie dem Vergessen zu entreißen, die Grenzgänge und Grenzüberschreitungen abzubilden, die sich in diesem Leben zwischen 1891 und 1942, zwischen Breslau, zwischenzeitlich Göttingen und am Ende Auschwitz ereignet haben, wo die Tochter jüdischer Eltern als spätere Ordensfrau ermordet wurde. Eine jüdisch-katholische Märtyrerin. Eine Biographie, die einem den Atem stocken lässt und mit der dunkelsten Phase des 20. Jahrhunderts verbunden bleibt. 

Unsere Landeskirche freut sich, liebe Schwestern, dass Ihr Wirken und der Name Edith Stein mit dieser Preisverleihung nun im gleichen Atemzug genannt werden dürfen. Das muss einem von anderen erlaubt, verliehen werden, alles andere wäre anmaßend. Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch so ergeht: Aber wenn man sich noch einmal das biografische Gewicht des Namens Edith Stein vor Augen führt, dann muss man den Preis auch als hohen Anspruch wahrnehmen. 

Der Mut, die Kraft und der höhere Gehorsam zu Grenzüberschreitungen werden heute gewürdigt. Gibt es das: Gehorsam zu Grenzüberschreitungen? Ist das nicht automatisch Ungehorsam?  Nein. Der Name und das Leben Edith Steins stehen dafür. Die Wülfinghäuser Schwesternschaft kennt die Situation, dass in unseren Klöstern und geistlichen Gemeinschaften die sonst üblichen Trennungen zwischen den Konfessionen um Christi und einer größeren Gemeinschaft willen an Schärfe verlieren.  

Es geht dabei nicht um Rechtsbruch, sondern um Vorwegnahme einer Gemeinschaft, die sich andernorts in unseren Kirchen durch literarisch dokumentierte Lehrunterschiede so unbefangen noch nicht abbildet. Die Communität Wülfinghausen ist um des Glaubens und Christi willen ein Kloster mit einer offenen Membran: Es lädt Menschen voraussetzungs- aber sicher nicht folgenlos zum Glauben ein, zu ersten neuen Schritten, zu einer Annäherung oder Wiederannäherung an verschüttete Dimensionen der Seele, zu Erfahrungen, die kostbar werden in einer lauten Welt, zu einer Gottesbegegnung, die Mut macht, sich im eigenen Leben und Erleben, in der eigenen Biografie, die manchmal scheinbar ziellos dahin mäandert, von Gott geliebt, von Christus aufgerichtet und vom Heiligen Geist inspiriert zu wissen.  

Der Dank an den Edith-Stein-Kreis und die Mitfreude mit der Communität sind auch deshalb angezeigt, weil in wir in unserer evangelischen Kirche einen längeren Anweg gebraucht haben, den Dienst verbindlich lebender und glaubender Menschen und Gemeinschaften wieder zu entdecken. Ich sage das auch aus eigenen Erfahrungen aus dem Kloster Amelungsborn. Es hat bis in die 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts gedauert, bis Klöster, Orden, verbindlich lebende geistliche Gemeinschaften als legitime Sozialgestalt der Kirche Jesu Christi neu akzeptiert wurden. Wir Evangelischen haben uns jahrhundertelang mit klösterlichen Traditionen und mitunter vorreformatorischen liturgischen Formen schwer getan.  

Wir hätten unseren Luther genauer lesen sollen, dann wäre das nicht passiert. In der Vorrede auf „Die Messe Deutsch und Ordnung Gottesdiensts“ aus dem Jahr 1526 schreibt er: „Die dritte Art, die die richtige Art der evangelischen Ordnung haben sollte, dürfte nicht so öffentlich auf dem Platz geschehen unter allerlei Volk. Sondern diejenigen, die mit Ernst Christen sein wollen und das Evangelium mit Hand und Mund bekennen, müssten sich namentlich einschreiben und irgendwo allein sich versammeln zum Gebet, zum Lesen, zum Taufen, das Sakrament zu empfangen und andere christliche Werke auszuüben. … Kurz, wenn man die Leute und Personen hätte, die mit Ernst Christen zu sein begehren, so wären die Ordnungen und Weisen bald gemacht. Aber ich kann und mag eine solche Gemeinde noch nicht ordnen oder einrichten. Denn ich habe noch nicht Leute und Personen dazu. … Kommt es aber dazu, dass ich’s tun muss und dazu gezwungen werde, so dass ich es aus gutem Gewissen nicht unterlassen kann, so will ich das Meine gern dazu tun und, so gut ich es vermag, helfen.“ 

Aber die Vorbehalte auch in unserer Kirche werden weniger, immer weniger, je mehr und mehr Menschen z.B. in Wülfinghausen bereit sind, ihre Vorurteile gegen Glaubenserfahrungen einzutauschen, die sie oft nicht mehr hergeben, nie mehr missen möchten. 

Auf der Medaille steht: „Unsere Menschenliebe ist das Maß unserer Gottesliebe.“ Unsere Landeskirche und ein in Theologie und praxis pietatis verwandter Bruder freuen sich mit Ihnen über die Anerkennung, die Ihnen durch den Edith-Stein-Preis zuteil wird. 

Unser gnädiger Herr schenke Ihnen Menschen- und Gottesliebe zu Wohl und Heil Ihrer Gemeinschaft und der Menschen, denen Sie begegnen. Gott befohlen.

Landessuperintendent Eckhard Gorka, Hildesheim 

Laudatio

Jesuitenpater Vitus Seibel SJ, Berlin 
Laudatio anlässlich der Verleihung des Edith-Stein-Preises 2007 

"Die Liebe besteht in der Mitteilung von beiden Seiten her; das will heißen, dass der Liebende dem Geliebten gibt und mitteilt, was er hat, oder von dem, was er kann, und als Gegenstück dazu der Geliebte dem Liebenden, derart, dass wenn der eine Wissen oder Ehren oder Reichtümer besitzt, er es dem gibt, der es nicht hat, und so teilt immer einer dem andern mit." (Ignatius von Loyola, GÜ Nr. 231 in der Übersetzung von Hans Urs von Balthasar).

Wir loben (Laudatio!) heute eine Schwesterngemeinschaft, die das lebt, was ich eben zitiert habe. Sie versucht dies nicht nur im Binnenbereich ihrer Kommunität zu verwirklichen, sondern sie versucht es in grenzüberschreitenden Formen.  Die Geliebten sind nicht einfach nur die immer schon Vertrauten in den Kuschelecken. Es sind vielmehr Menschen, die suchen, die vielleicht Vorbehalte haben, die einen anderen "Stallgeruch" haben, die einem vielleicht  zunächst uninteressant oder unheimlich oder feindlich scheinen mögen. Wir haben da ja unsere trennenden Kategorien in der Meinung, dass sich's besser oder unbeschwerter leben lässt, wenn wir unter uns bleiben. Wir teilen die Welt dann  ein in "Griechen oder Juden, Beschnittene oder Unbeschnittene, Fremde, Skythen, Sklaven oder Freie" (Kol 3,11). Man kann fortfahren mit den Trennungen  rein und unrein, Mann und Frau, arm und reich, Arbeitende und Arbeitslose, Leistungsstarke und Leistungsschwache, Lebenswerte und Lebensunwerte, Starke und Wehrlose, Sieger und Besiegte, Inländer und Ausländer, interessante Zielgruppen und uninteressante Zielgruppen, Progressive und Konservative, Gläubige und Ungläubige, Katholische und Evangelische... 

Liebende machen sich aus solchen Eingrenzungen nicht viel. Sie entgrenzen. Sie überschreiten die oft so künstlich scheinenden Gräben, ohne sich dabei selbst untreu zu werden. Sie machen nicht eingeschüchtert Halt vor oft sehr ängstlich hochgehaltenen Stoppschildern, die manchmal nur Vorurteile kaschieren sollen, die man nicht aufgeben mag.  

Die Schwestern erfahren dabei die Evidenz ihres Tuns, nämlich, dass es sich hierbei nicht um eine Einbahnstraße handelt. Sie sind Gebende, aber gerade dabei und darin merken sie, dass sie auch Empfangende sind. Es sind Wechselwirkungen, die eintreten. Alle profitieren davon. Und alle verändern sich dabei. Im Idealfall, der allerdings nicht immer eintritt, aber doch staunenswert oft, geht es in Richtung zu mehr Neugier, zu mehr Offenheit, zu mehr Entkrampfung, zu größerem Engagement, zu einer erlösteren Gelassenheit, zum gegenseitigen Verständnis, zu vertiefterem und fröhlicherem Glauben, zur Respektierung der jeweils Anderen in ihrem Anderssein, zum ehrlicheren Bemühen um Wahrheit. Übrigens: Das Ringen um die Wahrheit hat in intellektueller Redlichkeit zu geschehen. Wahr ist ja etwas noch nicht, wenn und weil es ein wohliges Bauchgefühl verursacht.  

All das versuchen  die Wülfinghausener Schwestern als Angehörige der Christusbruderschaft Selbitz. Und damit ist auch ihr tragender Grund genannt: Jesus Christus. Bei ihm haben sie das gelernt, was sie von ihrem Kloster Wülfingshausen aus tun. Und ihr Herr Jesus steht ihnen bei beim Auskundschaften neuer Möglichkeiten, beim Wagnis der Grenzaufenthalte, beim Übersteigen von Mauern. 

Bei den Jesuiten haben sie die Exerzitien des Ignatius von Loyola entdeckt und "gemacht". Und eine entsprechende zweijährige Ausbildung in Sachen Exerzitien und geistlicher Begleitung dazu. Noch im letzten Jahrhundert konnte man in angesehenen deutschen Lexika lesen, was da unter "jesuitisch" steht: Listig, verschlagen, spitzfindig, verlogen, machtgierig und Ähnliches in gleicher Preislage.  

Und was Exerzitien sind, wusste ein paar Jahrhunderte früher ein  Prediger, der folgendes von der Kanzel donnerte: "Die Jesuiten verführen gar viele zu sonderlichen Übungen, die sie Exerzitien nennen. Da werden die Opfer, wie glaubwürdig berichtet wird, mit Dampf und anderen Mitteln berauscht, dass sie den Teufel leibhaftig zu sehen vermeinen, brüllen gleich den Ochsen, müssen Christo  abschwören und dem Teufel dienen." Also, ich meine, da können Ihnen die Schwestern Glaubwürdigeres berichten! Exerzitien haben zu tun mit einem Ruf in die Freiheit, mit einem Ruf zur Hingabe an Gott in der Nachfolge Jesu im Dienst an den Menschen. 

So war es fast selbstverständlich, dass die aufgeschlossenen Ordensfrauen im Verlauf ihrer ökumenischen Kontakte und in der Zusammenarbeit mit ihren Partnerinnen und Partnern aus den anderen Konfessionen bestimmte Bereiche der Spiritualität neu entdecken konnten, die etwas verschüttet gewesen sein mochten, verschüttet vielleicht aus einer gewissen Angst heraus, dass die zu sehr nach Werkgerechtigkeit schmeckten. Die Schwestern erzählten mir, dass ihnen einige aus ihrem engeren Bereich ein katholisches "Gschmäckle" nachsagen wollten, wo ich eher den Geschmack der gemeinsamen ökumenischen  Hoffnung wahrnehme. (Klammerbemerkung: Pastor Dietrich Bonhoeffer hatte es in dieser Beziehung mit Teilen seiner Kirche auch nicht immer ganz leicht, wenn er sich die Vertiefung religiöser Übungen beim gemeinsamen Leben angelegen sein ließ). 

Und die Jesuiten, wie auch andere katholische Freundinnen und Freunde der Schwestern haben im Kontakt mit diesen lieben, ja wahrhaft liebenden Schwestern erfahren dürfen, wie sehr sie bereichert wurden für ihre eigene christliche Existenz. Im Zusammensein mit den Schwestern habe ich persönlich immer spüren dürfen, was glaubwürdige Ökumene ist im Probieren von Neuem, in der Dankbarkeit für die Schätze der evangelischen Kirche, und auch im Ertragen dessen, was immer noch schmerzliche Trennlinien sind, aber auch in der Zuversicht, dass die Ökumene noch lange nicht am Ende ist. Hindernisse sind da, damit sie überwunden werden. Ein Wort meines Mitbruders Alfred Delp, das er kurz vor seiner Hinrichtung am 2. Februar 1945 in Berlin Plötzensee geschrieben hat, beschäftigt mich zunehmend: "Wenn die Kirchen der Menschheit noch einmal das Bild einer zankenden Christenheit zumuten, sind sie abgeschrieben. Wir sollten  uns damit abfinden, die Spaltung als geschichtliches Schicksal zu tragen und zugleich als Kreuz. Von den heute Lebenden würde sie keiner noch einmal vollziehen. Und zugleich soll sie unsere dauernde Schmach und Schande sein, da wir nicht imstande waren, das Erbe Christi, seine Liebe, unzerrissen zu hüten." Frage: Finden wir uns zu schnell damit ab, dass wir nicht weiter gekommen sind, und erklären wir vielleicht vorschnell zu Vieles als Kreuz, das eben zu tragen sei, um uns die Mühe der kleinen Schritte und des beherzten Vorangehens zu ersparen?  

Die Schwestern bezeugen eigentlich etwas anderes, nämlich: Wenn wir uns gegenseitig geben von dem, was wir haben und schätzen - wie anfangs schon gesagt - die Liebenden den Geliebten und die Geliebten den Liebenden, dann verlieren wir Ängste und Misstrauen und Scheuklappen. Und wir gewinnen Dankbarkeit und Lebensmut und Wachstum im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. Und apostolischen Eifer dazu.  

Vielleicht ist das, was dann geschieht, so eine Art "spirituelle Osmose",  die stattfindet beim unmittelbaren Vollzug des gläubigen Daseins in den Formen ursprünglichen christlichen Miteinanders. Viele Menschen können durch den Kontakt mit den Wülfinghausener Schwestern ein Lied davon singen. Ein Loblied, das sich mit dem schönen Gesang der Schwestern vereinigt.     

Jetzt habe ich noch gar nicht über Edith Stein gesprochen. Oder doch? 

Sie war die Grenzgängerin als Frau, Jüdin, Atheistin, Philosophin, Christin, katholische Nonne. Und sie war das als Schriftstellerin, Lehrerin und Betende.  Unbeirrt ist sie ihren Weg gegangen trotz Einsamkeit und Ablehnung. Und über die Grenze des Todes ist sie gegangen für ihr Volk. So wurde sie zur glaubwürdigen Zeugin für Gottes Barmherzigkeit, die keine Grenzen kennt. 

 

Das Kuratorium, das den Edith-Stein-Preis verleiht, hat die vielen Entsprechungen entdeckt , die - bei allen Unterschieden - zwischen dieser Frau und den Frauen von Wülfinghausen bestehen. Die Damen und Herren des Kuratoriums haben eine gute Wahl getroffen.  

Göttingen, 18.11.2007

Vitus Seibel SJ

Urkunde

Fotos

Fotos: S. Behnke,
Bernward Rundfunk / Pressearbeit Dekanat Göttingen

Vor der Überreichung von Urkunde, Medaille und Scheck verliest Dechant Norbert Hübner den Text der Verleihungsurkunde.

Heiner J. Willen (Vorsitzender des Edith-Stein-Kreises) verschenkt Rosen.

glücklich-bewegte Schwestern

Dankeworte der Schwestern

Schwester Adelheid Wenzelmann (Äbtissin) und Schwester Reinhild von Bibra bedanken sich mit einem eindrucksvollen und sehr lebhaften Bericht über ihr gemeinschaftliches Leben, sowie mit zwei selbstvertonten Liedern.

Dankworte für die Verleihung des Edith-Stein-Preises

Sr. Adelheid beginnt:

Wir sind überrascht und berührt, dass wir den Edith-Stein-Preis bekommen. Wir haben schon länger eine innere Verbindung zu Edith Stein – während meines Theologiestudiums in Tübingen habe ich neben dem Edith-Stein-Karmel gewohnt und bin dort ein und ausgegangen – aber durch diesen Preis haben wir uns natürlich noch mal viel intensiver mit ihr befasst. Je länger wir auf dieses überragende Leben schauen, desto mehr empfinden wir den Abstand zwischen dem, was sie gelebt und gelitten hat in einer sehr dunklen Phase unserer deutschen Geschichte im Vergleich zu unserem kleinen grenzüberschreitenden Wagnis „Kloster Wülfinghausen“.

Grenzüberschreitungen, – das Stichwort für die Ehrung,
– eine Frauengemeinschaft, die ausstrahlt in Kirche und Gesellschaft,
– die Wiederbelebung eines alten Klosters mit evangelischem Ordensleben,
– das ökumenische Engagement.

Im Zugehen auf diesen Tag wurde uns bewusst: Ist nicht die größte Grenzüberschreitung überhaupt die Tatsache, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist? Und entstehen nicht alle grenzüberschreitenden Wagnisse vieler Christen aus diesem Wunder der Menschwerdung?

Sr. Reinhild:

Das Abenteuer von Wülfinghausen begann mit einem inneren Traum.

In meiner Profess-Vorbereitung (Profess = endgültige Bindung) kam ich über Teresa von Avila zu Edith Stein. Ihr Leben und ihre Schriften beeindruckten mich sehr, vor allem ihre Auslegungen zum Buch Esther. Sie schreibt einmal: „Ich muß immer wieder an die Königin Esther denken, die gerade darum aus ihrem Volk herausgenommen wurde, um für das Volk vor dem König zu stehen. Ich bin eine sehr arme und ohnmächtige kleine Esther“.

Das war für mich 1990 wie ein Schlüssel für meine eigene Ordensexistenz – wie Edith Stein – eine Esther sein, die fürbittend für unser Volk vor dem König, vor Gott steht. So entstand in mir der Wunsch, ein altes Kloster wiederzubeleben und in mir erwachte damals ein inneres Bild, dass es an vielen Stellen im gerade vereinten Deutschland solche klösterlichen Gebetsorte geben könnte. Es war dann eine große Überraschung, als unserer Communität zwei Jahre später ein Kloster in Norddeutschland angeboten wurde und dass uns zudem noch in den Kreuzgängen dieses Klosters große Wandbilder zum Buch Esther empfingen. In dieser Zeit habe ich versucht, einen Gebetstext von Edith Stein zu vertonen, den wir Ihnen jetzt singen möchten:

Du senkst voll Liebe Deinen Blick in meinen
Und neigst Dein Ohr zu meinen leisen Worten
Und füllst mit Frieden tief das Herz…

Lied: Du senkst voll Liebe Deinen Blick in meinen...
(weiter unten das Lied in Druckqualität)

Sr. Adelheid:

Wir gehören zur Communität Christusbruderschaft: Unsere Gründer, das Ehepaar Hanna und Walter Hümmer haben Grenzüberschreitendes gewagt, als sie kurz nach dem zweiten Weltkrieg einen evangelischen Orden gründeten in einer Zeit, in der das in unserer Kirche noch sehr befremdend war, viel Gegenwind und Kritik hervorrief.

Unsere Communität hat uns nach Norddeutschland gesandt und steht unterstützend hinter uns. In den 13 Jahren, die wir in Kloster Wülfinghausen leben, haben uns noch weitere fünf Schwestern eine Zeitlang unterstützt, an die wir an dieser Stelle dankbar denken.

Wir freuen uns, dass Sr. Bärbel Quarg und Pfarrer Wirth aus dem Zentrum unserer Communität Christusbruderschaft in Selbitz heute mit uns feiern und unser früherer Pfarrer Hans Häselbarth, der das Abenteuer Kloster Wülfinghausen mit einfädelte.

Pfr. Wirth: (kurzes Grußwort) 

Sr. Reinhild führt weiter aus:

Im Moment beleben wir sieben das Kloster und halten durch dick und dünn zusammen. Jede von uns bringt ihren unverwechselbaren Beitrag ins Ganze ein. Wir ergänzen uns meistens in unserer Verschiedenartigkeit. Zugleich ist es eine große Herausforderung und manchmal auch harte Arbeit, täglich das „Ora et labora“ – Gebet und Arbeit und das gemeinsame Leben durchzutragen.

Wir sieben haben ein gemeinsames Ziel, wir möchten verschiedensten Menschen einen Raum der Begegnung mit Gott ermöglichen – mit Stille, Gastfreundschaft, Exerzitien und geistlicher Begleitung in einem wunderschönen großen Kloster mit historischen Klostergärten, eingebettet in eine weite Landschaft. Dabei trägt uns und unsere Gäste das Stundengebet dreimal am Tag. Wir leben mit unserer Liturgie aus den alten liturgischen Traditionen der Kirche, die letztlich aus jüdischen Wurzeln gewachsen sind. – Edith Stein hat ihre Schwestern öfters an diese Tatsache erinnert.

Dieses Abenteuer hätten wir nicht durchgehalten ohne unsere Begleiterinnen und Begleiter und Supervisoren aus beiden Kirchen. Wir freuen uns, dass einige heute diesen Tag mit uns feiern. Sie haben auch einen Preis verdient! – und auch alle anderen, die uns unterstützen, unsere haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und unsere Freundinnen und Freunde.

Sr. Adelheid: 

Alles begann mit einem historisch bedeutsamen Besuch im Sommer 1992: Freiherr von Campenhausen, der damalige Präsident der Klosterkammer kam in das Zentrum unserer Communität nach Selbitz, – das war auch eine Grenzüberschreitung: von Preußen nach Bayern! Er fragte damals, ob die Kommunität nicht ein paar Schwestern übrig hat. Er hätte ein altes einsam gelegenes Kloster, in das sehr gut ein Haus der Stille passte.

Also: die Klosterkammer ist die Basis dieses Unternehmens. Sie hat uns dieses alte Kloster ab 1994 zur Verfügung gestellt. Kloster Wülfinghausen 1236 als Augustinerinnenkloster gegründet, wurde in der Reformationszeit evangelisch und kam durch die Herzogin Elisabeth von Calenberg zum Grundstock der Klosterkammer. Ein großer Dank gilt also der Klosterkammer, Ihnen Frau Maier-Knapp-Herbst als Präsidentin und all ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Jahre der fruchtbaren Zusammenarbeit.

Da war also dieses alte Kloster mit seiner romanischen Krypta, mit seiner gotischen Kirche, mit dem barocken Kreuzgang, mit seiner Geschichte, die von Krieg und Zerstörung gekennzeichnet war und mit seiner Segensgeschichte. Es war uns wichtig auf die Stille dieses Ortes zu lauschen, – auf die Mauern, in denen der Glaube Stein geworden ist. Vieles musste entrümpelt und befriedet werden, dass das Charisma des Ortes neu zum Leuchten kam. Das war auch eine herausfordernde innere Arbeit. Es hat uns immer wieder berührt, dass wir als evangelische Communität – nach 400 Jahren – anknüpfen dürfen an ein Erbe, das unseren beiden Kirchen gemeinsam gehört. Die alte Form der klösterlichen Berufung ist in den Kirchen der Reformation verloren gegangen und ist erst während und nach dem zweiten Weltkrieg in den neu entstehenden Communitäten wieder erwacht. –

Da war eine neue Landeskirche, zwar auch lutherisch, aber doch mit einer ganz anderen Prägungsgeschichte als die bayerische. Drei Oberlandeskirchenräte trafen sich mit Schwester Reinhild und mir im Dezember 1993, um zu schauen was diese grauen Nonnen aus dem Süden mitzubringen gedenken und wie sie mit Luthers Stellung zum Mönchtum umgehen. Die anfänglich vorsichtig-kritische Begegnung endete mit der Bitte, unser Kloster auch für Pfarrerinnen und Pfarrer zu öffnen, die ausgebrannt sind oder ihr geistliches Leben vertiefen möchten. Das hat sich dann wie von selbst entwickelt.

(Pfarrerexerzitien, Vikarskurse, jetzt unser zweiter Kurs für geistliche Begleitung mit 20 Pfarrern/innen aus sieben Landeskirchen, alles in ökumenischer Zusammenarbeit….) Hier der Dank an die Landeskirche, an die Kirchenleitung, die uns mit viel Vertrauen begegnet ist, heute vertreten durch Herrn Landessuperintendenten Gorka, durch Herrn Oberlandeskirchenrat Brandy. Wir haben von seiten der Kirche viel Unterstützung erfahren, auch wenn es zunächst manches Erstaunen gab, dass wir so viel mit katholischen Schwestern und Brüdern zusammenarbeiten.

Unsere Bischöfin schreibt uns zur Preisverleihung:

„Den Gedanken, im guten Sinne Grenzen zu überschreiten und so das Gute zueinander zu bringen, das die beiden Konfessionen füreinander bewahrt haben, halte ich für ein grundlegend wichtiges Anliegen. Wir brauchen diese „Grenzüberschreitung“ und sie darf nicht geprägt sein von Angst, das eigene Profil zu verlieren, sondern sollte sich suchend, fragend und forschend dem nur scheinbar Fremden zuwenden und es mit evangelischem Profil für die heutige Zeit fruchtbar machen – da können wir wirklich viel von Bonhoeffer lernen!

Bleiben sie dabei und halten Sie diese Schätze für uns lebendig, das wünsche ich Ihnen, mir und unserer Kirche! …

Ihre Margot Käßmann"

Sr. Reinhild:

Wie kamen wir zu unserem ökumenischen Engagement?

Auf der Suche nach einer Pädagogik des Gebets, nach einer Ausbildung, die lehrt, andere auf ihren inneren Wegen zu Gott anzuleiten und zu begleiten, bin ich Anfang der 90iger Jahre in katholischen Gewässern fündig geworden: Ich entdeckte damals einen zweijährigen Ausbildungskurs für Exerzitienbegleitung bei der Gruppe für Ignatianische Spiritualität. Die Leiter des Kurses (einer ist heute Abend da: P. Hock SJ) wagten damals auch eine Grenzüberschreitung, indem sie über Jahre einzelnen evangelischen Bewerberinnen und Bewerbern einen Platz gaben in den sehr begehrten und überfüllten Kursen. Das hat eine enorm fruchtbare ökumenische Bewegung ausgelöst.

Sr. Adelheid und ich (auch weitere Schwestern unserer Communität) konnten an diesen Ausbildungskursen teilnehmen; das hat unsere bisherige Spiritualität ökumenisch erweitert. Wir erleben die Gaben und Grenzen unserer Konfession und die der anderen und erfahren, wie wir uns gegenseitig fruchtbar ergänzen und brauchen. Durch diese Exerzitienbegleiterkurse hat sich ein Netz von geistlicher Freundschaft zwischen evangelischen und katholischen Begleitern und Begleiterinnen gebildet hat. Bei Exerzitien arbeiten wir meistens zusammen. Oft kommen auch die Exerzitanten/innen aus beiden Kirchen. Die Begleitung geschieht in Achtung vor der Zugehörigkeit zur jeweiligen Kirche. Jahrhundertealte Vorurteile werden im gemeinsamen geistlichen Erleben abgebaut.

Sr. Adelheid: 

Die geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola sind besonders für Pfarrerinnen und Pfarrer sehr hilfreich, weil man mal nicht reden und predigen muss, sondern einfach nur vor Gott sein darf mit der ganzen Existenz. Immer wieder erlebe ich, dass die Exerzitien uns an unseren evangelischen Ursprung führen: an das „ sola scriptura“ – „allein die Schrift“. Beim betenden Betrachten des biblischen Textes wurde Luther die existentielle Erfahrung der Rechtfertigung geschenkt.

Die Begegnung mit den Exerzitien macht uns neu hellhörig für vergessene Schätze aus der eigenen Tradition, in der wir auch eine Fülle von Erfahrungen mit Gebet und Schriftbetrachtung finden. Bei Luther, in unseren Gesangbuchliedern, bei Dietrich Bonhoeffer, der sich sehr um die Wiedergewinnung der praxis pietatis (des gelebten Glaubens) in der theologischen Ausbildung mühte, und in einer unbekümmerten Offenheit ökumenisch lernte aus der katholischen und anglikanischen Tradition. Er kannte auch die geistlichen Übungen des Ignatius. Aus dem Gefängnis – einer Exerzitienerfahrung eigener Art – schreibt er; „Wir müssen uns immer wieder sehr lange und sehr ruhig in das Leben, Sprechen, Handeln und Sterben Jesu versenken, um zu erkennen, was Gott verhieß und was er erfüllt.“

Auf der Ebene der Spiritualität, im Bereich der geistlichen Begleitung, können wir die gerade stagnierende ökumenische Bewegung in fruchtbarer Weise weiter beleben – ein notwendiges Zeugnis in unserer säkularer werdenden Welt. Wir freuen uns an der Freundschaft mit katholischen Christen, auch zu vielen Ordensleuten und Priestern, z.T. begleiten wir uns gegenseitig. Wir fühlen uns der Haltung Edith Steins nahe, die einmal sagte. „ Es hat mir immer sehr fern gelegen zu denken, dass Gottes Barmherzigkeit sich an die Grenzen der sichtbaren Kirche binde.“

Sr. Reinhild: 

Wir haben einen Preis für Grenzüberschreitungen bekommen. Dieser Preis ermutigt uns, weiterhin Wagnisse im Sinn des Evangeliums einzugehen. Im Moment träumen wir von Angeboten für Jugendliche mit Pferd und Kloster und wir möchten das Preisgeld für so ein Projekt verwenden.

Wir wünschen uns, dass dieser Abend auch Sie ermutigt, grenzüberschreitende Wagnisse in der Nachfolge Christi einzugehen und so die Leuchtspur von Edith Stein aufzunehmen.

                   

Das Lied zu einem Text, 
der Edith Stein zugeschrieben ist und  
den Sr. Adelheid Wenzelmann CCB im Jahr 2007 vertont hat.

Lied: Ohne Vorbehalt und ohne Sorgen...

                   

Hier können Sie die Lieder downloaden,  
(rechte Maustaste, dann Ziel speichern unter...). 

Das Notenblatt zum Lied 'Ohne Vorbehalt' in Druckqualität 
als pdf-Datei, nur 58 kB. 

Das Notenblatt zum Lied 'Du senkst voll Liebe Deinen Blick' in Druckqualität  als pdf-Datei, nur 52 kB.